Ringlotte – Fruchtgenuss
Bei den derzeit herrschenden Temperaturen, die wiederholt bei über 30°C liegen, kommen jegliche Gartenaktivitäten zum Erliegen. Die Menschen ziehen sich in den Schatten zurück oder springen ins kühle Nass. Die des nächtens laut zirpenden Grillen sorgen zusätzlich für südlich gestimmte Urlaubsathmosphäre. Die stundenlange Sonneneinstrahlung sorgt für extreme Trockenheit im Garten, der mit einer Wassergabe aus dem Schlauch kaum zu entgegenen ist. Es gibt jedoch Gewächse, die erst unter hoher Hitze und Trockenheit ihre wahre Schönheit entfalten, sowie diverse Obst- und Gemüsesorten, die besonders gut unter solchen Bedingungen reifen. Neben den wärmeliebenden Paradeiser-/Tomatenpflanzen reifen jetzt auch die Ringlotten, die österreichische Bezeichnung für Renekloden. Sie zählen als Edel- oder Kulturpflaume zur Gruppe der Pflaumen – und damit zu den Rosengewächsen -, sind aber vermutlich weniger geläufig als Pflaumen und Zwetschken.
Bei genauerer Betrachtung erweist sich der Begriff Ringlotte/Reneklode als meine Namensschwester, denn die Bezeichnung leitet sich vermutlich vom Namen Claudia ab. Claudia von Frankreich/Claude de France lebte zu Beginn des 16. Jahrhundert. Die Tochter des französischen Königs Ludwig XI. stieg selbst durch Vermählung mit Franz I. in den Rang einer Königin auf, im Französischen “reine”. Die saftigen runden Früchte, die in Frankreich in dieser Zeit eine Neuerung darstellten, wurden zu Ehren von “reine Claude” als “Reneklode” (lat. prunus domestica var. claudiana) benannt. Dieser neue Obstname – so geschrieben wie gesprochen – unterscheidet sich von der königlichen Benennung nur im Schriftbild, nicht jedoch akustisch.
Die Ringlotte ist wesentlich älter als ihr erster Auftritt in Mitteleuropa zu Beginn der Neuzeit vermuten lässt. Aus Asien kommend war sie schon vor Christi Geburt in Italien bekannt. Die wäremeliebende Frucht gedeiht im deutschprachigen Raum am besten in den Weinbaugebieten, also in Ostösterreich sowie in Süddeutschland. In Frankreich gilt Lothringen als Hauptanbaugebiet, wobei hier besonders die Mirabelle, eine gelbe Pflaumenart, kultiviert wird. Sie ist etwas kleiner in der Form und süßer im Geschmack als die Reneklode und gilt als die Königin unter den Pflaumenarten.
Jetzt im Hochsommer ist Erntezeit der saftig süßen Ringlottenfrucht. Sie unterscheidet sich durch ihre kugelrunde Form von Pflaume und Zwetschke. Das Farbenspiel der Fruchtschale variiert zwischen dem hellen Grün der alten aus Asien kommenden Sorte und dem Rotblau späterer Züchtungen, z.B. von Graf Althanns, die im 19. Jahrhundert in Böhmen gezüchtet wurde. Der für alle Pflaumenarten typisch mehlige Belag der eigentlich glatten Oberfläche – in der Fachsprache nennt man das “bereift” – dient der Frucht als Schutz. Je nach Sorte erstreckt sich die Erntezeit von Juli über August bis in den September. Während die Fruchtreife im Garten meiner Schwester gerade erst beginnt, ist der Baum im Garten der Schwiegereltern bereits abgeerntet. Letzter ist ein wahrer Überlebenskünstler: Sein Stamm ist tief ausgehöhlt und einige der breit ausladenden Äste müssen nicht nur bei schwerem Fruchtbehang, sondern permanent gestützt werden. Es handelt sich dabei schon um einen “älteren Herren” von etwa 70 Jahren, der einst vom Großvater gepflanzt wurde. Doch Alter ist relativ, denn so ein Obstbaum kann durchaus über 100 Jahre alt werden. In unseren Augen ist es trotzdem erstaunlich, dass der bereits schwer gezeichnete Baum noch stets herrliche Früchte hervorbringt. Letztes Jahr war die Ernte besonders reich und es wurden Marmeladen und Liköre produziert. Auch heuer schien es anfänglich eine gute Saison zu werden. Ich habe mir daher schon vor Wochen unter großer Vorfreude ein raffiniertes Marmeladenrezept zur Seite gelegt und mit besonderem Interessen die Entwicklung von der Blüte bis zum Anschwellen der Früchte verfolgt. Doch dann kam die große Enttäuschung: Kurz vor der Reife begannen zahlreiche Früchte zu faulen. Nun zähle ich auf die Ernte im Garten meiner Schwester.
Ringlotten isst man am besten frisch vom Baum. Ihr saftig-süßes Fruchtfleisch kommt so am besten zur Geltung. Sie haben einen niedrigen Säuregehalt und sind daher nicht nur bekömmlich für Gaumen und Magen, sondern sind auch sehr gesund. Ringlotten zeichnen sich nämlich neben viel Vitamin A durch einen hohen Kaliumgehalt aus, der für die Funktionstüchtigkeit von Nerven- und Muskelzellen von Bedeutung ist. Grundsätzlich kann die Ringlotte ähnlich wie Pflaumen und Zwetschken verarbeitet werden. Sie eignet sich also für Marmelade und Mus, Kompott und Kuchen, Likör und Schnaps. Da die Ringlotte jedoch saftiger als die Pflaume und Zwetschke ist, ist Vorsicht bei der Verabeitung zu Kuchen geboten. Neben dem herkömmlichen Blechkuchen empfiehlt sich die Variation nach Egerländer Art. Dabei wird auf die herkömmliche Kuchenteigmasse eine mit Ei verfeinerte Topfenschicht aufgestrichen, auf die schließlich die frischen Fruchthälften gelegt werden. Der säuerliche Topfengeschmack harmoniert hervorragend mit den süßen Früchten und dient als geschmackliches Gegengewicht. Bei Weiterverarbeitung zu Kompott empfiehlt es sich der Gesundheit zuliebe auf weitere Süßungsmittel zu verzichten, da die Früchte selbst bereits einen hohen Grad an Eigensüße aufweisen. Und wer schon genug Marmeladengläser in der Vorratskammer stehen hat, kann der süßen Ringlottenmarmelade mit aromatischen südländischen Kräutern wie Thymian und Rosmanrin oder auch frisch geriebenen Ingwer eine pikate Geschmacksnote verleihen. Derartiges kann dann zu Fleisch und Käse serviert werden.
Es lohnt sich also, einen Ringlottenbaum sein Eigen zu nennen. Der Aufwand an Pflege ist ähnlich anderer Obstbäume durchaus überschaubar.