Borretsch
Im Herbst gibt es einiges im Garten zu tun, von Schnittmaßnahmen übers Abräumen der Beete bis hin zum Einwintern von Topfpflanzen und Gartengeräten. Im Naturgarten empfiehlt es sich, sich in Gelassenheit zu üben und so manches der Natur zu überlassen. Bei kluger Planung reduziert sich die Gartenarbeit. So braucht die Blumenwiese weniger Pflege als grüner Rasen, bei der naturnah gepflanzten Hecke erübrigen sich regelmäßige Schnittmaßnahmen und das Laub bleibt als Mulchdecke dort liegen, wo es hinfällt, um den Boden zu schützen. Verdorrte Pflanzenteile verbleiben zum großen Teil ebenfalls vor Ort auf den Beeten, denn sie schützen nicht nur den Boden, sondern dienen zahlreichen Insekten als Winterquartier. “Garteln für intelligente Faule“, so nennt der bekannte Fernsehmoderator und Gärtner Karl Ploberger diese “Faulenzer”-Methode.
In Bezug auf den Staudenschnitt hält sich der Naturgärtner ebenfalls ein wenig zurück. Trockene Samen- und Blütenstände bleiben als Vogelnahrung im Garten zurück und werden erst im zeitigen Frühjahr vor dem Neuaustrieb zurückgeschnitten. Dies ermöglicht gleichzeitig den Pflanzen die Selbstaussaat. Die Samen fallen zu Boden und keimen an Ort und Stelle im nächsten Jahr von selbst. Gerade für Kaltkeimer, also jene Pflanzen, deren Keimung bei niedrigen Temperaturen angeregt wird, eignet sich diese Methode. Dazu zählen z.B. Kuhschellen und Schlüsselblumen auf der Zierblumenseite und Bärlauch oder Waldmeister auf der Nutzpflanzenseite. Überlässt man der Natur das Geschehen, birgt dies so manche Überraschung, denn die Samen bleiben nicht unbedingt vor Ort. Vielmehr werden diese je nach ihrer Beschaffenheit durch Wind und Wetter, Vögel und Insekten verteilt. Ist es der falsche Platz, so lässt sich die Pflanze später noch immer entfernen. Selbstaussaat ist also die Devise des Naturgärtners. In meinem Garten freue ich mich über diese Arbeitserleichterung sowohl bei diversen Zierblume wie Kokarden- und Ringelblumen, als auch bei verschiedenen Küchenkräutern wie Oregano, Thymian und ganz besonders bei Borretsch.
Borago officinalis, so lautet der wissenschafltiche Name von Borretsch. Er kommt ursprünglich aus Syrien und ist einjährig. Er mag lockere, feuchte und eher kalkhaltige Standorte; lehmige Böden benötigen daher eine Aufbereitung. Die Pflanze ist ein Dunkelkeimer, d.h. die Samen müssen mit Erde bedeckt sein. Bei der Verbreitung durch Selbstaussaat helfen jedoch Ameisen, die sich von einem fettreichen Anhängsel der Samen ernähren, diese sammeln und in ihr Nest schleppen. Die eigentlichen Samen bleiben übrig und werden aus dem Nest entfernt. Borretsch wächst das ganze Jahr über: Er sprießt bereits früh im Jahr und wächst bis zum Frost.
Das Gewürzkraut lässt sich sehr einfach identifizieren, denn die ganze Pflanze ist dicht behaart – Stengel wie Blätter gleichermaßen – und zählt damit zur Familie der Raublattgewächse. Aus dem dunklen Grün der Pflanze leuchten bald blaue sternenförmige Blüten hervor, die sich nicht als Teller nach oben öffnen sondern in hängender Position bleiben. Die zuerst rosa, dann blauen Blüten sind eine wahre Bienenweide. Klappt es mit der Bestäubung, bilden sich schwarze Samen, aus denen teures Öl gewonnen wird, welches bei äußerlicher Anwendung entzündungshemmende und juckreizmindernde Wirkung hat. Blätter wie Blüten sind essbar. Junge Blätter werden im Ganzen verwendet. Ältere Blätter sind vielleicht ein wenig stachelig und werden am besten für die weitere Verwendung in feine Streifen geschnitten und so in Kräuteraufstriche gemischt oder über diverse Salate gestreut, denen sie eine frische, gurkige Note verleihen. Im Volksmund wird Borretsch daher auch Gurkenkraut genannt. Die Blüten können durchaus süßen Nektar enthalten und dienen als hübsche Dekoration, sei es in Getränken, auf Salaten und kalten Platten oder einfach nur auf dem Butterbrot (siehe den früheren Beitrag zu “Essbare Blüten“). In Deutschland ist Borretsch Bestandteil der legendären Frankfurter Soße – auch Grüne Soße genannt – und in Ligurien wird er für Ravioli-Füllungen oder für Risotto als Zutat verwendet. Der Genuss von Borretsch wirkt auf den menschlichen Körper durchaus positiv. Er trägt unter anderem zu einer fröhlichen Stimmung bei, was wissenschaftlich betrachtet auf die Stimulierung der Adrenalindrüse zurückgeht. Das Gewürzkraut sollte jedoch in Maßen konsumiert werden, denn die enthaltenen Alkaloide schädigen bei übermäßigem Konsum die Leber.
Borretsch ist neben Winterheckzwiebel, Blutampfer und Ringelblume eine der wenigen Pflanzen, die derzeit noch mein weitgehend abgeräumtes Gemüsebeet zieren. Im Laufe der Saison hat er sich durch Selbstaussaat ausgebreitet und präsentiert sich noch stets in verschiedenen Wachstumsstadien: Neben den blühenden sowie bereits dürren und samentragenden Pflanzen sprießen schon wieder neue, junge Sämlinge. Im Augenblick pflücke ich vorrangig Blüten zur Dekoration, besonders fürs Wochenend-Frühstück. Bevor sich die Ernte-Saison jedoch endgültig dem Ende zuneigt, möchte ich noch einmal die Blätter verarbeiten. Angesichts der allmählich sinkenden Temperaturen und der stetig kürzer werdenden Tage lüstet es mich derzeit weniger nach kalten und erfrischenden Speisen sondern vielmehr nach herzhaften und durchaus ein wenig deftigen Speisen. Wer ebensolche Gelüste hat, dem empfehle ich das folgende Reisgericht auf italienische Art, in dem Borretsch eine Hauptrolle spielt:
Ligurischer Risotto mit Borretsch
(aus: Kochen mit Kräutern & Gewürzen, Gruner und Jahr AG, Hamburg (o. J.), S. 33)
Zutaten: 100 g Zwiebeln, 50 g Rindermark (für eine vegetarische Zubereitung und auch bei Skepsis gegenüber Rindermark einfach mit Olivenöl ersetzen), 50 g Butter, 250 g Rundkornreis (Avorio), 1/8 l trockener Weißwein (einfach weglassen, falls Kinder mitessen), 1/2 l Suppenbrühe, Salz & Pfeffer, 350 g Mangold, 100 g Pinienkerne, 5-6 große Borretschblätter, ein paar kleine Borretschblätter zur Garnitur, 30 g geriebener Parmesan
Zubereitung: Zwiebeln in kleine Würfel schneiden, das Mark grob würfeln und in der Butter auslassen, dann darin die Zwiebeln anrösten, den Reis zugeben und andünsten; nach und nach Wein unter häufigem Rühren und stets offenem Topf zugeben und verdampfen lassen, danach ebenso mit der Brühe verfahren, salzen und pfeffern; zwischendurch den Mangold grob zerkleinern und nach 15 Min. zum Reis geben. Den Herd abschalten, den Topf zudecken und die Reismischung ziehen lassen; Pinienkerne ohne Fett in einer Pfanne anrösten, den Borretsch grob hacken und vor dem Servieren unterheben (sollte nicht mitgekocht werden, da er sonst seinen Gescchmack verliert), mit den kleinen Blättern garnieren und mit gerieben Parmesan bestreuen. Das Risotto passt gemäß Rezeptempfehlung zu Lammkotteletes, aber sicherlich auch zu Fisch und kann auch als Hauptspeise verzehrt werden.
Beurteilung: Wer Risotto und Mangold mag, wird das Gericht lieben. Das Borretschkraut ist nicht auffällig, trägt aber sicherlich zum Gesamtgeschmack bei.