Holunder süß-sauer
Die Holunderbeeren sind reif! Violette Flecken auf Terassenböden und Hausfassaden sind – zum Leidwesen ihrer Besitzer – untrügliche Hinweise darauf. Tröstlich ist jedoch der Gedanke, dass der nächste Regenschauer diese zuverlässig wieder wegwäscht. Viel bedauerlicher ist hingegen, dass sich mit den reifen Holunderbeeren der Sommer endgültig verabschiedet. Doch Freud und Leid liegen bekanntlich nah beieinander: In diesem Sinne entschädigen die intensiven Farben sowie die pikanten Geschmäcker, die der Herbst hervorbringt, für den Abschied vom Sommer. Mit den dunkelvioletten und Vitamin C-reichen Holunderbeeren, die den Beginn der Herbstzeit markieren, stellt sich entsprechende Vorfreude darauf ein.
Holunder, im Volksmund auch Holler genannt, ist relativ anspruchslos an den Boden. Die weit verbreitete Wildform, der schwarze Holunder (Sambucus nigra), findet sich entlang von Feldrainen und Waldsäumen, in Hohlwegen und auf Brachflächen. Er ist schnellwüchsig und erreicht eine stattliche Größe bis zu 10 m. Für den Garten gibt es Zuchtformen, die sich je nach Vorliebe entweder auf den Blattschmuck (z.B. Sorte “Black Lace”) oder auf die Fruchtgewinnung (z.B. Sorte Haschberg) fokussieren. Doch auch die Wildform macht sich im Garten gut, sei es als Teil einer Wildstrauchhecke oder als Schattenspender für den Kompostplatz. Vor allem im Naturgarten dient der Holunder als wertvolles Gehölz. Mehr als 60 Vogelarten “fliegen” auf den Strauch – und das im doppelten Sinne. Der Hollerstrauch dient ihnen einerseits mit seinen Beeren als Nahrungsquelle und andererseits aufgrund seiner Dichte und Höhe als Nistplatz, Rastplatz sowie Ausguck. So habe ich im heurigen Frühjahr Rotschwänzcheneltern beobachtet, die ihre Jungen in einem dem Hollerstrauch nahe gelegenen Nest liebevoll umsorgt haben. Der Strauch wurde von den Vogeleltern stets am Weg vom sowie zum Nest angeflogen und es schien so, als ob sie von dort die Sicherheit der Umgebung überprüften. Neben den Vögeln laben sich außerdem zahlreiche Säuger und Insekten am Holz, den Blättern, Blüten und Früchten des Strauches.
Der Holunderstrauch ist nicht nur den Tieren sondern auch den Menschen dienlich. Seine kulinarische und volksmedizinische Verwendungsvielfalt machte einst den Holunderstrauch zu einem fixen Bestandteil des Bauerngartens. Darüber hinaus wurden ihm im Volksglauben sogar magische Kräfte zugesprochen. Von seiner Präsenz und Bedeutung zeugt sogar ein altes Kinderlied, das den Hollerbusch als Spielplatz für Kinder würdigt. (“… Sitzen unterm Hollerbusch, machen alle husch, husch, husch.”).
Der Strauch lässt sich zu verschiedenen Zeiten des Jahres nutzen. Im Frühling zur Zeit der Blüte ist die Herstellung von Holunderblütensirup sehr beliebt. Der Sirup kann mit Wasser aufgespritzt als erfrischendes Jungendgetränk genossen werden. In der alkoholischen Variante wertet er mit Wasser und Wein gemischt den sogenannten “weißen Spritzer” zum “Kaiserspritzer” auf. Auch im Hugo, einem Modegetränk, das seit Jahren nicht aus der Mode kommt, ist er ein unverzichtbarer geschmacksbildender Bestandteil. Mit seiner blumigen Note lässt sich ebenfalls die Dessertküche bereichern. Besonders gut harmoniert der süße Sirup mit dem säuerlichen Geschmack von Joghurt. Werden die beide Komponenten in einem Parfait vereint und mit Erdbeeren angerichtet, erhält man ein herrlich, erfrischendes Dessert. Im Herbst sind es die Holunderbeeren, die zu leckeren, aber auch gesunden Lebensmitteln verarbeitet werden können. Die Beeren, die eigentlich Steinfrüchte sind, sind für den Menschen aufgrund bestimmter Inhaltsstoffe wie Sambunigrin, roh ungenießbar und dürfen daher nur gegart verzehrt werden. Dabei sollten sie auf mindestens knapp 80 °C erhitzt werden, dann zerfällt die toxische Wirkung dieses Stoffes. Am Besten lässt man die Beeren mindestens 10 min. köcheln. Darüber hinaus enthalten Holunderbeeren durchwegs viele positive Wirkstoffe wie Flavonoide, darunter die wertvollen dunkelblauen Pflanzenfarbstoffe, die sogenannten Anthocyane, die die menschlichen Zellen vor Schädigung schützen, Gerbstoffe, die entzündunghemmend wirken, und Vitamin C, das bekanntermaßen bei Müdigkeit und Erkältungskrankheiten hilft. Holunder ist damit wahrlich ein medizinischer Tausendsassa.
Wie macht man sich die Inhaltsstoffe des Holunders zu Nutze, die so positiv auf den Körper wirken? Holunderbeeren eignen sich zum Entsaften und zum Einkochen. Der Saft der Beeren kann nach Belieben zu Gelee weiter verarbeitet werden, bei den Kompotten ist vermutlich die süße Variante am geläufigsten. Dazu zählt Hollerkoch, eine Kompottmischung mit Zwetschken und Birnen. Es empfiehlt sich jedoch auch mal die Holunderbeeren pikant einzukochen (Rezeptempfehlung siehe unten). Dies passt sehr gut zu deftigen, fetten Fleischgerichten wie Gänse- und Entenbraten, die in der kommenden Herbst- und Winterzeit wieder Saison haben.
Wer noch keinen Holunderstrauch im Garten hat, ein Vogelfreund ist und ein raschwüchsiges Gehölz für eine mittlere oder größere Lücke im Garten sucht, dem empfehle ich das Pflanzen eines Holunderstrauchs. Das Gehölz ist absolut pflegeleicht und muss weder gegossen noch geschnitten werden, kann jedoch bei Wunsch sehr wohl in Form geschnitten werden. Wichtig ist in diesem Fall zu wissen, dass die Blüte am Vorjahresholz ausgebildet wird. Man kann den Strauch außerdem nach ein paar Jahren komplett, also bis auf Kniehöhe zurückschneiden, das nennt man “auf den Stock setzen”. Der Strauch treibt dann zuverlässig wieder aus und wächst von unten weg dichter und kompakter. Fällt die Entscheidung für einen Holunderstrauch, dann ist jetzt im Herbst, solange der Boden frostfrei ist, der perfekte Zeitpunkt zum Pflanzen von Holunder und anderen Sträuchern. In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Pflanzen und Pflücken und empfehle: Nütze den Tag – “carpe diem“!
Pikant gewürzte Holunderbeeren
aus: M.. Lagoda, B. Snowdon, Das große Einmachbuch, Berlin 2011, S. 42
Zut.: 1,5 kg Holunderbeeren, 500 g Rohrzucker, 1 Stück frische Ingwerwurzel geschält (ca. 1 cm), 500 ml Rotweinessig, 1 TL schwarze Pfefferkörner, 3 Pimentkörner, 5 Gewürznelken, 1 EL frischer Kren (Meerrettich) gerieben, 1 Zimtstange, 1 Stück Muskatblüte (Macis)
Zub.: Holunderbeeren verlesen, waschen und von den Stielen zupfen, mit der Hälfte vom Zucker mischen und in Gläser füllen; für den Sud den Essig mit dem Ingwerstück und den Gewürzen erhitzen und 10 Min. stark kochen, durch ein Sieb in die Gläser gießen, sofort verschließen und danach mit der bevorzugten Methode (Dampfgarer, Backofen, Mikrowelle oder Einkochtopf) einkochen.